Bis zu zehn Prozent Marktanteil für eFood in den deutschen Metropolen: Experten wie der frühere Kollex-Gf Udo Kießlich sind in ihrer Einschätzung recht einig, dass insbesondere Quick-Services á la Flink und Gorilla, aber auch Vollsortimenter wie die Zustelldienste von Rewe und Edeka in den Großstädten erstmal weiter wachsen werden. Nun hat in Berlin mit Wuplo der nächste Express-Lieferdienst aufgemacht - unter russischer Regie.
Wuplo verspricht Lieferungen innerhalb von 10 Minuten. Das gilt zunächst aber nur im Stadtteil Charlottenburg, wo der bisher einzige Darkstore steht; der Rest der Stadt wird vorerst mit Lieferzeiten zwischen 30 und 60 Minuten abgedeckt, soll aber in den kommenden Monaten ebenfalls in Express-Zeiten bedient werden. Anders als bei der Konkurrenz von Gorillas, Flink oder Getir bietet Wuplo wahlweise auch die Lieferung innerhalb eines gebuchten 15 Minuten-Zeitfensters am selben oder nächsten Tag.
Hinter Wuplo stecken der russische Gründer Sergey Schetinin samt seinen Co-Foundern Ivan Vorontsov sowie Evgenii und Maxim Rogover. Schetinin kennt das Geschäft. Zusammen mit Vorontsov gründete er 2016 in Moskau den Lieferdienst FamilyFriend. Nach den ersten Feldversuchen sei man nun „bereit, unseren Service auf den sehr anspruchsvollen deutschen Markt zu bringen“, kommentiert Schetinin. Er will „innerhalb der kommenden fünf Jahre ein personalisiertes Liefer-Ökosystem aufbauen, das von einem Drittel der europäischen Haushalte genutzt wird“.
Erst im April hatte der Online-Lebensmittelhändler Knuspr – ein Tochterunternehmen des tschechischen E-Food-Anbieters Rohlik (Umsatz 2020: über 300 Mio Euro) – mit großem Tamtam Pläne für einen nach München zweiten Standort Frankfurt bekannt gegeben. Die Leitung für den Standort in der Mainmetropole übernimmt wie in München auch CEO Erich Comor. Bis zum Jahresende sollen an beiden Standorten rund 200 Angestellte arbeiten. Die Expansion in weitere deutsche Städte (u.a. Stuttgart, Hamburg, Köln) ist für 2022 geplant. Bis 2023 will Knuspr laut einer Unternehmenspräsentation in Deutschland monatlich 500.000 aktive Kunden mit über 1 Mrd Euro Umsatz erzielen.
Delivery Hero elektrisiert Investoren
Durch Bescheidenheit zeichnen sich beide Anbieter (Knuspr und Wuplo) damit eher nicht aus. Die Schlacht der Giganten wird indes hinter den Kulissen, also auf Investorenebene, heftig weitergeführt. Erst kürzlich wurde ruchbar, dass angeblich der DAX-Konzern Delivery Hero, der vor allem in Asien sehr stark, aber seit Juni auch wieder in Deutschland unter der Marke Foodpanda zurück ist, einen Einstieg beim derzeit durch Dissonanzen mit den Angestellten etwas angeschossenen Quick-Service Gorillas plant. Zwar hatte Delivery-CEO Niklas Östberg noch im Frühjahr über Quick-Commerce-Lieferdienste gelästert: „Seien wir doch mal ehrlich: Lebensmittel in 10 Minuten zustellen ist einfach. Beschäftigen Sie Fahrer, die vor den Geschäften herumstehen und auf Aufträge warten. Der schwierige Teil beginnt dann, wenn sie pro Bestellung einen Euro Verlust machen. Das macht dann 146 Mio Euro Verlust pro Jahr.“ – Doch was stört in diesem Segment schon das Geschwätz von gestern?
Noch ist nicht klar, ob und wie Gorillas-Gründer Kağan Sümer auf die Gerüchte reagiert. Er hat u.a. Stress mit den Berliner Behörden (die Senatsarbeitsverwaltung hat ein Bußgeldverfahren aufgrund mehrerer Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz eingeleitet); auch ein potenzieller Deal mit dem US-Lieferdienst Doordash gilt als geplatzt. Wie das Manager Magazin berichtete, soll Delivery Hero zunächst rund 200 Mio Euro in Gorillas investieren und zu einem späteren Zeitpunkt weitere 200 bis 400 Mio Euro nachschießen wollen. Auch bestehende Investoren wie das chinesische Internet-Unternehmen Tencent oder die US-Investmentgesellschaft Coatue Management sollen an der Finanzierungsrunde beteiligt sein. Eine Geldspritze, die Sümer für sein rasant wachsendes Geschäft dringend braucht.
Delivery Hero, das der aktuellen Halbjahresbilanz zufolge seinen Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit rund 2,68 Mrd Euro mehr als verdoppeln konnte, aber unterm Strich noch immer einen hohen dreistelligen Millionen-Betrag Miese macht, elektrisiert ungeachtet aller Einwicklungen mit Gorillas derzeit die Investoren. Ende vergangener Woche verschaffte sich der Lieferdienst mit der Ausgabe von Wandelanleihen mehr als eine Milliarde Euro frisches Geld. Die erste Tranche über 750 Mio Euro werde mit 1,0% verzinst, der Kupon der zweiten Tranche über 500 Mio Euro betrage 2,125%, teilte der Dax-Konzern am späten Donnerstagabend mit.
Artikel aus INSIDE 885