Etwas vorschnell feiert der VDM das Urteil eines niederbayerischen Landgerichts. Dabei könnte der Verband gerade Wichtigeres zu tun haben. Es geht um das Überleben der Branche.
Gegen Ende April urteilte das Landgericht Landshut im Sinne des Verbandes deutscher Mineralbrunnen (VDM) gegen den örtlichen Wasserzweckverband Rottenburg (dem 16 niederbayerische und Oberpfälzer Gemeinden angehören). Eigentlicher Kernpunkt des Streits war zwar die Frage, ob ein kommunaler oder privater Trinkwasserversorger das Leitungswasser als „gesund“ titulieren darf oder eben nicht. In der Vorinstanz – als es um eine Einstweilige Verfügung des VDM ging – hatte das OLG München allerdings entschieden, dass der Wasserzweckverband als juristische Person des öffentlichen Rechts gar nicht Teil des Wettbewerbs sei und damit auch nicht den Bestimmungen der Health Claims Verordnung unterliege – eine Argumentation, die beim VDM naturgemäß wenig Begeisterung auslöste (INSIDE 852).
Die Landshuter Kammer korrigerte das in der Hauptsache jetzt wieder, allerdings dürfte der Fall nach einer Revision aus Rottenburg wieder vor jener Münchner OLG-Kammer landen, die schon in Sachen EV pro Wasserzweckverband entschieden hatte. Dass das Gericht dort seine noch vor wenigen Monaten geäußerte Auffassung zur Wettbewerbssituation mittlerweile signifikant geändert hat, ist eher unwahrscheinlich.
Kremers Demission: Notbremse oder Vollgas?
Warum sich der VDM an dieser Causa weiter abarbeitet, erklärt sich angesichts der aktuellen Herausforderungen für die Brunnen nur unter dem Claim „Präzedenzfall“. Die Zeiten für die Brunnen sind alles andere als ruhig, wie der Rumor um die erzwungene Demission des in die Kritik geratenen Verbands-Gf beweist. Seit der Verband im April Udo Kremer als „Vice President European Affairs“ Richtung Europa abschob (INSIDE 874), wo er sich künftig auf dem Gehaltszettel des VDM „verstärkt der proaktiven Interessenvertretung der deutschen Mineralbrunnenbranche auf europäischer Ebene widmen“ soll, ist Kremer nur noch kommissarischer Chef des VDM. INSIDER berichten von heftigen Disputen im VDM-Vorstand, der den passionierten Tischtennisspieler vor vier Jahren an Bord holte und nun selbst Ping-Pong spielt. Vor allem in Sachen Aufgabenverteilung.
Während im Hintergrund längst Hassia-Chef Dirk Hinkel die Strippen zieht und der profilierungsstarke Vorturner Dr. Karl Tack im Rampenlicht steht, muss sich Kremer nun auf europäischer Ebene als Lobbyist auf politischem Parkett beweisen – was ihm nach Meinung mancher Brunnenvertreter schon hierzulande nicht richtig gelang. Kremers Abberufung sollte als Notbremse wirken, nicht als Aufbruchsignal.
Wem gehört das Wasser - vor allem, wenn es knapp wird?
Wer auch immer Kremers Nachfolger wird: Er oder sie muss dann nicht nur dem Vorgänger auf die Finger schauen, sondern auch die politische Arbeit des Verbandes befeuern. Die Laune dort ist seit geraumer Zeit eher unterirdisch, ein Indiz dafür lieferte Ende letzter Woche die Verabschiedung der Novelle des von den Brunnen wie Weihwasser vom Teufel gefürchteten (und lange bekämpften) Landeswassergesetzes NRW. Wie berichtet (INSIDE 858) ist das neue Gesetz ein Schmelztiegel an Erwartungen von großen Wasserversorgern (u.a. über ihre Beteiligungen auch EON und RWE), Wirtschaft, Politik und Verbänden über das künftige Neben- und Miteinander von Mineralwasserunternehmen und öffentlichen/privaten Versorgern. Mittlerweile dämmert auch kleineren Brunnen, dass die politisch diskutierte Frage, wem in Krisenzeiten das Wasser gehört und wie im Fall der Fälle die Priorisierung der berechtigten Wasserversorger geregelt ist, an ihrer Existenzgrundlage rüttelt.
Anders als andere Verbände (z.B. die über ihre Geschäftsführungen in den Landessektionen und im Bundesverband DBB politisch eng vernetzten Brauer) tappen die Brunnen hinterher, was sogar dazu führt, dass die NRW-Brunnen ihre Hoffnungen mittlerweile auf eine „Dialogrunde“ mit NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser legen. Dort soll dann u.a. geklärt werden, inwieweit Mineralbrunnen resp. Mineralwasser gleichberechtigt neben den Trinkwasserversorgern existieren dürfen – und in welchem Umfang sie dabei Planungssicherheit haben. Wer sich umhört, erfährt, dass in NRW untergeordnete Wasserbehörden in vorauseilender Rechtsunsicherheit Betriebserlaubnisse bzw. Befugnisse mittlerweile mal für die Dauer von 10, manchmal für 20 oder 30 Jahre aussprechen. „Es geht zu wie auf dem Jahrmarkt“, so ein INSIDER. „Wer soll da noch wissen, ob er investieren soll und wieviel.“
INSIDE 876