Streckenverleger fordern Maßnahmen. Die Mehrweglogistik stehe auf der Kippe.
Die Lage in der Beschaffungslogistik spitzt sich dramatisch zu. Spediteure hissen die weiße Flagge, die Frachtraumbörse ist leergefegt. Auf Spotmärkten wie Timocom ist kaum was zu holen. Für die kommenden Wochen rechnen INSIDER mit weiter explodierenden Preisen. Nicht nur der GFGH, auch Hersteller müssen ihre Kalkulationen überarbeiten.
Während Markus Rütters, Chef von Branchenprimus DGL, unlängst gegenüber der Welt das Hauptproblem Fahrermangel thematisiert („Allein in der Getränkelogistik fehlen 27.000 Fahrer“), versuchen Streckenverleger das nicht immer ausgeprägte Verständnis der Kunden im L-Handel zu schärfen.
In einem Schreiben von freien Strecken-GFGHs, das INSIDE vorliegt, wird skizziert, warum das Mehrweg-Getriebe nicht mehr synchron laufe. Um das System effizient zu halten, erfordere es Maßnahmen auch auf Handelsseite. Und natürlich deren Druck auf die Industrie. Problematisch sei nicht zuletzt das zu breite Sortiment: „50% der Artikel im GFGH stehen für nicht mal 1% Absatz!“ Folge seien „längerer Bestellvorlauf, deutlich längere Standzeiten an den Rampen, Entfall von Anschlusstouren, fehlende Lagerplätze, in Spitzenzeiten nicht mehr zu leistender Kommissionieraufwand.“
Klare Aussage in Richtung Industrie: Die „heutige Gebindevielfalt/Individualisierungsflut“ überlaste die Leergut-Sortierung. Den Händlern schlagen die Streckenverleger folgende „Kurzfristige Maßnahmen für 2021“ vor:
- Streichung von 1er und 2er Positionen
ab Menge 3 Aufrundung auf Stapel
ab Menge 30 Aufrundung auf Palette“.
- Warenannahmezeiten ganztägig
- Planung von Neulistungen nicht in der Sommersaison
- Sortimentsanpassungen/Sortimentsstraffungen
- Entwicklung eines Fahrplanes für Hitzeperioden und
Feiertagswochen, z.B. temporäre Konzentration auf
Schnelldreher-Artikel Reduzierung von Liefertagen“.
Die Erklärung für den ungewöhnlichen Brandbrief liefern die Getränkelogistiker gleich mit:
„Alle Bemühungen des Getränkefachgroßhandels in den letzten Jahren waren nicht ausreichend, um für eine Entspannung in diesen Phasen zu sorgen. Ganz im Gegenteil werden die Ausnahmesituationen mehr und mehr zur Regel, müssen frühzeitiger Gegenmaßnahmen ergriffen werden zur Absicherung der Warenversorgung. Investitionen in Zukunftsthemen, etwa die Automatisierung, sind mit den heutigen Margen nicht leistbar.“
Und offenbar mit Blick auf anstehende Preiserhöhungen heißt es: „Die oben aufgeführten Themen lösen Sondermaßnahmen zur Absicherung der Warenverfügbarkeit aus, welche zu einer Unterdeckung in der Logistik führen. Auch die gemeinsame Finanzierung dieser Herausforderungen ist ein Thema für die kommenden Monate.“
Gerichtet ist der Appell an die Kunden im Handel. Gemeint aber sind auch die Lieferanten. Angeblich haben erste LEHs bereits angekündigt, sich auf den Maßnahmenkatalog einzulassen.
Artikel aus INSIDE 880