Pflanzendrinks werden zu einer immer wichtigeren Alternative zu Kuhmilch. Vor allem Haferdrinks legen mächtig zu. Außerhalb der Kühlkette bieten sie echtes Potenzial – auch für Getränkefachhandel und Kaltgetränke-Hersteller.
Milchalternativen auf pflanzlicher Basis boomen. Die Gründe liegen neben dem Verbraucherwunsch nach gesünderer Ernährung vor allem in den immer wichtiger werdenden Faktoren Nachhaltigkeit und Ökobilanz (laut Albert Schweitzer Stiftung setzt die Herstellung von Haferdrinks im Vergleich zu Kuhmilch nur ein Drittel der Treibhausgase frei). Nielsen berichtet für den Zeitraum von August 2019 bis August 2020 von einem Wachstum um satte 47% in Deutschland. Dabei gehen vor allem Haferdrinks durch die Decke (+115%), die auch mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes (53%) in der Kategorie Milchalternativen machen.
USP Mehrweg: Voelkel durch die Decke
Schon 2018 wurden in LEH und Drogeriemärkten rund 34 Mio Liter Haferdrink verkauft. Das ist doppelt so viel wie 2014 – und die Verkaufszahlen steigen weiter. Das Gros davon verpackt im Tetra Pak. Doch auch hier gibt es einen Trend zum Glasgebinde. Noch ist das eine Nische - aber die hat großes Potenzial.
Das spürt auch der Biosafter Voelkel, der im letzten Jahr um 22% auf 88 Mio Euro Umsatz zulegte. Voelkel Haferdrink war dabei zeitweise der stärkste Artikel. Der Erfolg gibt Vertriebsboss Mirko Weimann zusätzlich Körner: Insgesamt sechs neue Gebietsleitungen werden oder wurden seit Januar installiert. Für Südbayern und Ba-Wü wird noch gesucht. Damit schwillt Weimanns Truppe auf fast 25 ADler an. Für den Haferdrink hat Voelkel Ende Februar jeweils in der Nähe von Bio-Märkten eine Guerilla-Aktion gestartet (u.a. in Hamburg und Berlin; Leipzig und Köln folgen nächste Woche), um beim Thema Nachhaltigkeit auf die Vorteile von MW-Glas gegenüber Tetra Pak hinzuweisen (siehe Foto).
Mittlerweile ist Voelkel mit seinem Haferdrink im MW-Glas nicht mehr alleine. Auch Hersteller wie Schwarzwaldmilch mit Velike!, die Brandenburger Genossenschaft Havelmi oder das zeitweise vom Getränke-Accelerator DICA unterstützte Berliner Start-up Kornwerk sind aufgesprungen.
Allerdings unterscheiden sich deren Haferdrinks in einem wesentlichen Punkt: Sie sind kühlpflichtig. Voelkel, das den Hafer von den fünf km entfernten Gräflich Bernstorff‘schen Betrieben sowie aus Dänemark bezieht, produziert und füllt die Drinks selber ab und hat ein aufwendiges Verfahren entwickelt, damit der Haferdrink im Glas nicht gekühlt werden muss. Somit wird er auch zu einer echten Produkterweiterung für Getränkefachmärkte (Listungen bei Fristo und Getränkeland gibt es bereits).
Auch für andere Getränkehersteller könnte das Hafergeschäft in der Glasflasche interessant sein, gleichwohl eine Umrüstung der Anlagen nicht ganz billig sein soll. Vorstellbar wäre auch dass Danone im Flaschen-Bereich tätig wird. Mit Alpro und Provomel haben die Franzosen bereits zwei Pflanzendrinks-Marken im Portfolio, durch die geplante engere Verzahnung mit Danone Waters (INSIDE 868) käme Kaltgetränke-Kompetenz on top.
Investorenliebling Oatly
Ganz ohne (MW) Glas, dafür in hip designten Tetra Paks, zieht Haferdrink-Marktführer Oatly einsam seine Runden. Seitdem die Schweden 2018 den deutschen Markt betreten haben, hat Hafer nach wenigen Monaten Soja als Nummer eins Milchalternative abgelöst. Der Marktanteil von Hafer (Stand Mai 2020) ist nach Angaben der Geschäftsführer von Oatly Deutschland, Helge Weitz und Tobias Goj, mit knapp 50% größer als von Soja und Mandel zusammen. Vater des Erfolgs ist Oatly-CEO Toni Petersson, der vor allem die Nachhaltigkeit der Haferdrinks in den Fokus gerückt hat. 200 Mio Euro Umsatz sollen es 2020 gewesen sein - schon 2023 soll die erste Milliarde geknackt werden. Die Boykottaufrufe nach dem Einstieg von Investor Blackstone (erwarb letzten Sommer 10% für 200 Mio US-Dollar) scheinen verpufft. Auch die Tatsache, dass es sich bei den Haupteignern von Oatly um das vom chinesischen Staat kontrollierte Unternehmen China Resources (u.a. Snow) und den weltgrößten Brauer AB Inbev (via Verlinvest) handelt, schadetdem Unternehmen offensichtlich nicht. Nun steht der Börsengang in den USA bevor. Oatly soll mit mindestens zwei Mrd Dollar bewertet werden. Nachhaltigkeit hat eben auch seinen Preis.
Artikel aus INSIDE 872