Vor der großen Virus-Krise hat Deutschlands Biermarktführer seine Vertikalisierungsstrategie mit dem Kauf von namhaften Fachgroßhandlungen vorangetrieben. Nun muss zusammenwachsen, was zusammengekauft wurde. Nicht jeder mag mitmachen.
Die Symbole waren teuer. Unbedingt wollte Radebergers Ex-CEO Dr. Niels Lorenz das Signal aussenden, dass auch die Stolzesten und Gesündesten des GFGH nicht an eine eigenständige Zukunft glauben. Dr. Otto Pachmayr bekommt bis heute noch nicht das Schmunzeln aus dem Gesicht, wenn er an sein Timing denkt. Am 13.3.2020, just am Tag, als die ersten Kneipen und Bars geschlossen wurden, hatten die Pachmayrs ihren damals noch fast 70 Mio Euro Umsatz großen Gastronomie-GFGH an die Radeberger Gruppe verkauft.
Im Jahr zuvor rammte Radeberger einen ebenso dicken Pflock ein, übernahm Pachmayrs Geva-Kollegen Claus Lippert, koste es was es wolle. Und Claus Lippert wollte viel. INSIDER raunen etwas von „annähernd 50 Millionen Euro“. Dafür sackte Radeberger eine Galionsfigur ein, Lippert war nicht nur gewiefter Einkaufschef beim Fachhandelsverbund Top Getränke, sondern auch Aufsichtsrat der Geva (deren Verkauf an Radeberger/Transgourmet er kurz zuvor noch verhandelt hatte). Deshalb bewerteten die Frankfurter das eigentliche Kernstück des Deals, Getränke Lippert, offenbar nur sehr oberflächlich.
Anscheinend glaubte Radeberger, mit Lippert nicht nur Fachmärkte, sondern einen relevanten Gastro-GFGH übernommen zu haben; die teure Neuerwerbung wurde an der hauseigenen Vertriebsgesellschaft für Gastronomie VfG aufgehängt. Doch Gastro machte Lippert vor allem mit den Beteiligungen. Mit den 50,4% an Schneider & Berger, Freiberg, den 41% an Saga, Dessau, oder den inzwischen zurückgegebenen 33% an Lisa Mai, Bayreuth. In Hof selbst spielte die Gastro nur eine Randnotiz.
Der einschließlich aller Beteiligungen und Vermarktungshoheiten großzügig auf über 100 Mio Euro taxierte Umsatz fußte vor allem auf der Fachmarktsparte. Für bis zu 300 Märkte kaufte Lippert ein, freilich nur 50 davon eigene (Cash und Trinkkult), die in Kürze allesamt auf Getränke Hoffmann umgeflaggt werden. Der Einkauf liegt schon länger bei Hoffmann-Einkäufer Georg Gorki und zieht jetzt auch mit zur neuen Einkaufszentrale nach Stuttgart (INSIDE 879).
Für Alex Vietz, der 25 Jahre treu an Claus Lipperts Seite arbeitete und nach dem Verkauf noch zum Geschäftsführer ernannt wurde, blieb in Hof nicht mehr viel übrig. Zudem dürfte die Einbindung in die Konzernmatrix nicht unbedingt sein Ding gewesen sein. Vietz´ Aufgabe war es, die eingeschworene Lippert-Truppe (mitsamt dem noch zwei Jahre mit Beratervertrag ausgestatteten Claus Lippert) von dem neuen Weg zu überzeugen. Doch das wollte der 49-Jährige sich nicht mehr antun. Ende des Monats scheidet der hemdsärmlige GFGH-Manager aus, seine als Marketingleiterin beschäftigte Ehefrau geht ebenfalls.
VfG-Chef Bernd Schulte hat schnell Ersatz gefunden. Bei der bedeutendsten Tochter Preuss-Münchhagen sollte Logistik-Geschäftsführer Heinz-Gert Hamacher (Ex-Trinks, Ex-Getränke Lehmann) eigentlich in den Ruhestand wechseln. Jetzt hängt der 63-Jährige noch ein bisschen in Hof dran. Hamachers Hauptaufgabe auch bei Lippert: die Logistik. Hier soll auf gruppenübliche Standards optimiert werden. Ob die Benchmark der Halbschwester DGL allerdings auch in Oberfranken zu erreichen ist, muss sich zeigen.
Aus drei mach eins
Unterdessen wird in der von Corona gebeutelten, von Staatshilfen aber ausgeschlossenen VfG (2019 noch 330 Mio Euro Umsatz) weiter optimiert. Nach einer ersten Entlassungswelle im letzten Herbst, der ein Fünftel der Stellen zum Opfer fiel (INSIDE 862), wird nun vor Ort gebündelt. Der vor zweieinhalb Jahren übernommene GFGH Flack & Schwier, Radebeul, wurde mit der Übernahme unter ein gemeinsames Firmendach mit dem VfG-Ableger Helmke, Dresden, geschoben.
Jetzt stößt Schneider & Berger hinzu. Die drei Betriebe firmieren ab 1.6.2021 unter dem Namen HFS Getränke. Die Läger in Freiberg, Wilschdorf (Helmke) und Radebeul, wo auch der Firmensitz der HFS sein wird, bleiben bestehen.
Artikel aus INSIDE 878