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Knuspr: Attacke aus Tschechien

Der tschechische Online-Lebensmittelhändler Rohlik expandiert nach Ungarn und Österreich nun auch nach Deutschland. Unter dem Namen Knuspr geht es mit einem Vollsortiment zunächst in München los. Weitere Städte sind bereits in Planung. Die neue Online-Plattform ist nicht nur ein Angriff auf den LEH mit seinen Lieferservices (Rewe, Edeka) und Amazon Fresh, sondern auch auf Flaschenpost: Knuspr verspricht eine Lieferung innerhalb von drei Stunden.

Der Online-Lebensmittelhandel boomt in Zeiten von Corona. Laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH) hat das Segment im zweiten Halbjahr 2020 mit einem Wachstum von fast 90% einen Umsatzrekord (772 Mio Euro) eingefahren. Davon will auch Rohlik mit Knuspr in Deutschland profitieren. Im Juni – 6 Monate später als eigentlich geplant – soll es in München mit rund 250 Mitarbeitern losgehen. Anfänglich umfasst das Vollsortiment rund 8.000 Artikel. Der Fokus liegt dabei auf Regionalität, Nachhaltigkeit und Qualität. Dabei habe man sich an Kundenwünschen orientiert. Mehr als 95% des Sortiments bezieht Knuspr direkt von Herstellern und Landwirten. Groß- und Zwischenhändler werden auf diese Weise umgangen.

Bei den Getränken, die ungefähr 15 bis 20% des Portfolios ausmachen, wird auf den Getränkefachgroßhandel zunächst aber nicht verzichtet. In München arbeitet Knuspr u.a. mit Platzhirsch Pachmayr zusammen. Die Getränke sowie auch alle anderen Waren werden in ein rund 7.500 qm großes und halbautomatisiertes Logistikzentrum bei München geliefert. Backwaren werden dort in einer eigenen Bäckerei gefertigt. Der Umschlagplatz ist das Herzstück des Unternehmens. Von dort fährt eine eigene Lieferflotte die Bestellungen von Montag bis Samstag zwischen 7 und 22 Uhr innerhalb von drei Stunden an die Kunden aus – ab einem bisher noch nicht bekannten Bestellwert entfällt die Liefergebühr.

Zuständig für den Getränke-Einkauf bei Knuspr ist Sigurd Gabriel. Der gelernte Destillateurmeister (von 2000 bis 2008 bei Jägermeister) bringt in diesem Bereich viel Erfahrung mit. Zuletzt war er knapp drei Jahre beim Online-Weinhändler Vicampo als Einkaufsleiter für Deutschland und Österreich tätig. Zuvor verantwortete er mehrere Jahre das Category Management beim Online-Feinkosthändler Gourmondo. Nebenbei hat Gabriel mit der mittlerweile liquidierten Sprit Brothers GmbH (2015 bis 2020) und mit Ingwer Narrisch (Home of Unvernunft UG) zwei Unternehmen gegründet. Als Senior Category Manager Beverages berichtet er direkt an Commercial Director Jan Gerlach. Der ehemalige Metro Cash & Carry-Mann bezieht gemeinsam mit Dr. Peter Hoffmann, Director Marketing, die Ebene unterhalb von Knuspr-CEO Erich Comor.

Hinter Knuspr steht die tschechische Muttergesellschaft Rohlik mit ihrem Seriengründer Tomáš Čupr. In Tschechien machte der 2014 gegründete E-Food-Anbieter Rohlik im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 300 Mio Euro, bei 8 Mio Euro Gewinn. Über 500.000 Kunden sollen bereits über die Plattform ihre Lebensmitteleinkäufe bestellen. Das Geschäftsmodell basiert dabei auf einer ausgefeilten und selbst entwickelten Technologie, die für eine reibungslose Prozessabwicklung sorgt. Das erinnert an Flaschenpost und ihren Gründer Dieter Büchl. Auch er zog – ohne Handelserfahrung – sein Start-up mit IT-Know how auf und verkaufte es erst vor kurzem für rund 800 Mio Euro an Oetker.

Knuspr will laut INSIDERN genauso wie Flaschenpost beim Leergut äußerst kundenfreundlich agieren und auch Fremd-Leergut mitnehmen. Trotz Nachhaltigkeitsversprechen wird es bei Knuspr neben Mehrweg auch Einweg geben. Preislich will sich der neue Anbieter auf ähnlichem Niveau wie die Online-Konkurrenz positionieren. Noch ist der Markt überschaubar. Rewe und Edeka dümpelten vor Corona mit ihren Lieferdiensten vor sich hin. Auch Amazon Fresh kommt bisher nicht so recht vom Fleck. Kaufland hatte Ende 2017 in Berlin einen Testlauf mit eigenem Lager und eigener Lieferflotte nach zwölf Monaten abgebrochen.

Aus den Niederlanden ist 2018 Picnic nach Deutschland vorgedrungen. Mit Edeka Rhein-Ruhr als Minderheitsgesellschafter im Rücken. Der mittlerweile auf über eine Mrd Euro bewertete Lebensmittellieferdienst ist aber über die Grenzen Nordrhein-Westfalens bisher nicht hinausgekommen. Mit einem aggressiven Versprechen (Lieferung innerhalb von 10 Minuten) ist das im Frühjahr 2020 in Berlin gegründete Start-up Gorillas bisher nach Köln, Hamburg, München und Amsterdam expandiert. Dort werden die Lieferbezirke sukzessive ausgebaut und bis Sommer sollen 15 weitere Städte erschlossen werden. Dazu hat Gorillas im Dezember von Investoren (u.a. Atlantic Food Labs) eine Finanzspritze (36 Mio Euro) erhalten. Mit Ex-Lidl UK-Chef Ronny Gottschlich und dem ehemaligen Group Director von Deliveroo HeroCanberk Donmez, haben sich die Gorillas erst kürzlich namhaft verstärkt.

Auch Knuspr hat sich ehrgeizige Wachstumsziele gesetzt. In den nächsten drei Jahren will das Unternehmen in Deutschland rund 30 Mio Kunden erreichen. Deshalb sollen nach München zügig Standorte in Frankfurt (dort steht bereits ein weiteres Logistikzentrum), Stuttgart, Hamburg, Köln und weiteren Städten folgen.

Das Potenzial für Online-Lebensmittelhändler ist riesig. Schätzungsweise werden erst 2% aller Lebensmittel in Deutschland online gekauft. Doch die Expansion in Europa ist auch kostspielig. Dafür will Čupr Investoren ins Boot holen, die frisches Kapital – die Rede ist von 100 Mio Euro – in die Kasse spülen. Schon bald soll hier Vollzug gemeldet werden.       

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