Bei den deutschen Brauern knallt‘s: Die eilige Gründung der Genossenschaft MPB als Replik auf die Pool-Gesellschaft GeMeMA von Krombacher & Co (INSIDE 860) hinterlässt ein frostiges Betriebsklima. Manche stehen als Blamierte da, intern feilen Andere an einer David gegen Goliath-Geschichte. Ausgang: völlig unklar.
Dienstagabend dieser Woche rief der Bayerische Brauerbund zu einer Mega-Versammlung: Präsidium, Delegierte, Mitglieder. Normalerweise Business as usual, doch da diesmal nicht mal der Beirat des wichtigsten Landesverbandes in die Vorgänge rund um die streng geheime Gründung der Pool-Genossenschaft MPB (Mehrwegpool der Brauwirtschaft) eingeweiht gewesen war, passte die Stimmung gut zum Gewitter, das zur gleichen Zeit über München runterging. Aus Teilnehmerkreisen heißt es, Dr. Jörg Lehmann – immerhin Präsident des Deutschen Brauer-Bundes und CEO der Paulaner Brauerei Gruppe – sei nicht vorzeitig über die Pläne von BBB-Präsident Georg Schneider und Gf Lothar Ebbertz informiert gewesen. Ein ziemlicher Affront. Vizepräsident beim Bayrischen Brauerbund ist u.a. Paulaner-Gf Andi Steinfatt. Wie es intern heißt, wusste zwar nicht der Beirat, aber das „gesamte“ bayerische Präsidium vorher Bescheid.
Interessant an der Causa Pool ist ja: Beide Seiten – Krombacher, Bitburger, Radeberger und Warsteiner mit ihrer GeMeMa auf der einen, die Brauervereinigungen aus Bayern, NRW und Hamburg mit MPB auf der anderen Seite – verlassen sich darauf, dass die Kartellbehörden zustimmen. So reichten die Bayern denn auch intern schnell ein geheimes und vermeintlich wasserdichtes Gutachten der 2. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes weiter. Dort heißt es zwar, „gegen ein genossenschaftliches Pool-Mehrwegsystem für Bier (Flaschen und Kästen)“ bestünden „keine kartellrechtlichen Bedenken“. Ob und wie die neuen MPB-Bottles allerdings exklusiv verwendet werden dürfen und ob Nicht-Genossen als Marktteilnehmer ausgeschlossen werden dürfen, wird aber erstmal nicht konkretisiert. Zudem habe eine „Überprüfung der Unterlagen (…) für die 0,33 l Longneck-Flasche“ ergeben, dass sich (..) Unklarheiten über die Vereinbarkeit von Organ-Funktionen in den jeweiligen Organisationen ergeben könnten.“ Die 0,33 l Longneck - wieder mal. Schon die GeMeMa will damit starten.
Horrortrip für den Handel
Und auch bei der GeMeMa, deren Gründung dieser Tage bevorsteht, wurde (zumindest bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe) bis zuletzt noch mit Blick aufs Kartellamt nachjustiert. Langsam wird es für Radeberger, Bitburger, Warsteiner und Krombacher – allesamt mit Sitz im DBB-Präsidium – Zeit, sich öffentlich zu erklären. Während der als Gf auserkorene Ex-Petcycle-Chef Hans Baxmeier noch nix sagen darf, solange es Goliath GeMeMa offiziell noch nicht gibt, blasen die Davids aus München und Hamburg rotzfrech zum Klassenkampf. Und darüber: die alles entscheidende Frage, wie sich die großen Pool-Verwender Erdinger, Paulaner, Oettinger, AB Inbev & Co entscheiden. Längst heißt es im bayerischen Flurfunk: Ohne die Weißbierbrauer und ohne Oettinger kann man MPB wieder einstampfen. Wenn sie aber mitziehen und für 2.000 Euro eine Eintrittkarte in die Genosschaft bezahlen?
Der Druck zur Einigung steigt dramatisch mit Blick auf zwei nicht unwesentliche Player: Zum einen verspürt der Handel kaum Lust, sich künftig mit noch mehr unterschiedlich gebrandeten Pool-Flaschen herumzuschlagen. Noch 2014 hatten Rewe, Edeka und Kaufland – zusammen mit GS1 und Krombacher – den Versuch unternommen, die Brauindustrie von einer einheitlichen Lösung zu überzeugen. Ihr bestes Argument: der wachsende Sortieraufwand bei bis zu 60 Mio hl Bier in Mehrwegflaschen, einer jährlichen Füllmenge von geschätzt 13 Mrd Flaschen, verteilt auf ca. 45 Typen Mehrweg (Pool und Individual) und 80 Typen Bügelflaschen. Der Versuch endete bekanntlich kläglich. Am Ende verpasste sich Krombacher entnervt vom Rumgeiere der Anderen eine Individualflasche – ließ aber immer wieder mal durchblicken, man könne sich eine Rückkehr zur Poolflasche vorstellen.
Einigungsdruck könnte aber auch durch die deutschen Glashütten entstehen, die womöglich keine Lust haben, ein System zu stützen, das sie dazu zwingen würde, massenweise neue Poolflaschen zusätzlich auf den Markt zu werfen. Sie laufen kapazitätsmäßig schon jetzt auf der letzten Rille. Nach vorsichtigen Schätzungen sind derzeit rund 2 Mrd Poolflaschen auf dem Markt. Sie Schritt für Schritt auszutauschen bedeutet einen Kraftakt; wenn aber künftig drei Ausgaben pro Pool-Flasche (normal, GeMeMa, MPB) hergestellt werden müssten – und das noch zertifiziert –, ist das Chaos vorprogrammiert.
Pfand-GAU abgebogen?
Und dann bleibt da ja noch das leidige Thema mit den Pfandrückstellungen. Bekanntlich verargumentieren die künftigen MPB-Genossen ihr Modell ja auch damit, dass analog zu den Brunnen/GdB für Genossenschafts-Einheitsleergut auch künftig Pfandrückstellungen gebildet werden dürfen. Für die existierenden Pool-Flaschen gilt das nach einem viel diskutiertem Bescheid des Bundesfinanzministeriums derzeit nicht (INSIDE 858). Mittlerweile empfangen die Echolote auf den Fluren der Brauereiverbände Signale aus dem Bundesfinanzministerium, wonach das Thema Pfandrückstellungen nun doch vom Tisch ist, möglicherweise nach einem sehr salomonischen Modell. Geht den Genossen in München, Hamburg und Düsseldorf damit das beste Argument verloren? Bevor der Verdacht aufkommt, gibt man sich wild entschlossen: Eine Genossenschaftslösung werde die Kuh endgültig und rechtssicher vom Eis bekommen.
Artikel aus INSIDE 861