Für die Protagonisten des Pool-Gerangels kommt jetzt der Kater am Morgen danach: Die Euphorie bei GeMeMa und MPB ist verflogen, auf allen Ebenen laufen Gespräche zur Schadensbegrenzung. Wie muss eine Lösung aussehen, bei der alle ihr Gesicht wahren?
Nach dem „Showdown in NRW“ (INSIDE 863) mit einer desillusionierten Susanne Veltins – sie hatte den Brauereiverband NRW verlassen, weil sie über die Gründung des Mehrwegpools der GetränkebrancheMPB nicht im Voraus informiert wurde – justieren die Pool-Planer derzeit auf Hinterzimmer-Lautstärke. Nicht nur die Landesverbände Bayern, NRW und Hamburg haben mit ihrer MPB ein Darstellungsproblem. Auch die von Warsteiner, Bitburger, Krombacher und Radeberger gegründete Poolgesellschaft GeMeMa tritt auf der Stelle, bis vom Kartellamt endlich Grünes Licht kommt.
Zu allem Überfluss dämmert den Verantwortlichen mittlerweile auf breiter Front, dass ihre Pool-Entwürfe nicht mehr weit auseinander liegen: Beide fokussieren sich in einem ersten Schritt auf die 0,33er Longneck-Flasche, beide kalkulieren für den Aufbau ihrer Pools mit einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren. Beide kommunizieren mehr oder weniger offen, dass es früher oder später gekennzeichnete Pool-Flaschen geben soll. Und nun ist auch noch das leidige Thema „Auflösung von Pfandrückstellungen“ vom Tisch (INSIDE 862), das bislang die Argumentation der MPB-Verfechter diktierte.
Je länger der aktuelle Zustand anhält, desto drängender stellen sich zwei Fragen: Wie konnte es soweit kommen? Und: Wie soll es weitergehen?
Zumindest perspektivisch gibt es mittlerweile Signale, die auf eine gemeinsame Lösung hindeuten - auch wenn alle Beteiligten das vehement dementieren, um die eigenen Heere nicht zu verschrecken. INSIDERN scheint ein Szenario am plausibelsten, bei dem die mengenmäßig deutlich größere GeMeMa den Be- und Empfindlichkeiten beim MPB entgegenkommt und einen neuen Mantel definiert. Schon jetzt gibt es bei der GeMeMa ja schon zwei Konstrukte unter einem Dach - die Konstellation der Gesellschafter und den eigentlichen Pool, dem auch Nicht-Gesellschafter beitreten können. In diesem Umfeld sollten einvernehmliche Lösungen möglich sein. Laut eng mit der Materie vertrauten Beobachtern alles „eine Frage der Zeit“.
Wie konnte es nur dazu kommen?
Mitte Februar hatten die Präsidenten der Brauerverbände NRW, Bayern, Hamburg, Mitte und Süd-West (BW) den Deutschen Brauer-Bund aufgefordert, „die Initiative zu ergreifen, um die (...) Voraussetzungen für den Aufbau notwendiger Poolsysteme zu entwickeln“. Etwa zeitgleich wurden Pläne zur Gründung der GeMeMa ruchbar, insbesondere Bit-Boss Axel Dahm wurde schon damals ziemlich konkret. Ungeachtet dessen kam es in den Folgemonaten zu zwei gegensätzlichen Strategien bei den Verhandlungen mit den Finanzämtern der Länder. Diverse Landesverbände verschickten „Eckpunkte eines genossenschaftlichen Brauerei-Pools“ an insgesamt zehn Finanzministerien. Kernpunkt war der Vorschlag einer zehnjährigen Phase für den Abbau von Pfandrückstellungen. Von Seiten des DBB arbeitete man zur gleichen Zeit auf die jetzt erzielte Pfandrückstellungsregelung hin – von einem gemeinsamen Vorgehen konnte somit nicht mehr die Rede sein. Das verwirrte auch die Finanzbehörden. Wie konkret zu dieser Zeit die MPB-Pläne waren, ist unklar; kommuniziert wurden sie nur noch homöopatisch. Entsprechend waren am Ende auch die Brauerverbände Mitte und Süd-West nicht mehr involviert.
Wer die verstörte Kuh nun wie vom Eis bekommt, wird die spannende Frage der nächsten Monate. Zeitdruck herrscht nicht wirklich. Große Brauereien/Braugruppen haben bereits signalisiert, dass sie erst mal abwarten, wie die Sache sich entwickelt, ebenso die großen Glashütten. Und in Zeiten von Corona gibt es dringlichere Probleme. Ende dieses Jahres laufen die Stundungsfrist für die Biersteuer und die Aussetzung der Insolvenz-Antragspflicht aus.
Artikel aus INSIDE 864