Vor einem Jahr (INSIDE 847) musste A. Brügel noch weitverbreitete Verkaufsgerüchte dementieren. Im Hintergrund arbeitete der Fristo-Chef da bereits an einer in der Fachmarktwelt einzigartigen „Nachfolgelösung“.
Eine der größten Getränkefachmarktketten bleibt eigenständig. Mitarbeitern und Lieferanten teilte Mehrheitsgesellschafter Andreas Brügel letzte Woche mit, „dass ich die gemeinnützige Fristo Stiftung gegründet habe und dieser 49 % der Unternehmensanteile an der Fristo Getränkemarkt GmbH übertragen wurden. Langfristig wird die Stiftung 100% der Unternehmensanteile halten“. Die übrigen 51% folgen.
Damit sind die Verkaufsgerüchte endgültig vom Tisch. Diese waren vorletzten Herbst hochgekocht, nachdem Schwiegersohn Gabriel Brügel, geb. Zechbauer, der als kaufmännischer Leiter in die Rolle des Erben hineinwachsen sollte und schon den Namen Brügel angenommen hatte, gen Deloitte entschwebte. Interessenten gab es viele, vorneweg die Radeberger Gruppe, die Fristo gerne in ihre Hoffmann-Aktivitäten eingebaut hätte.
Doch Andreas Brügel, 65, mag Fristo nicht irgendwo aufgehen lassen. Zuletzt wurde Brügels ohnehin großes Selbstbewusstein durch gute Zahlen genährt. Seit einigen Jahren schon schreibt Fristo tiefschwarze Zahlen, 2020 schoss der Bruttoumsatz dann um 25% auf 230 Mio Euro hoch. Die eigenständige Fristo-Strategie scheint aufzugehen. Besonderheiten: Die 230 Märkte werden aus fünf eigenen Logistikzentren (Buchloe/Südbayern, Adelsdorf/Nordbayern, Rossau/Sachsen, Gernsheim/Hessen und Zimmern/Ba-Wü) bedient und im Gegensatz zu anderen Fachmarktketten verzichtet Fristo weitgehend auf aggressive Preiswerbung.
Operation Purpose: Fristo wird gut
Die Anteile des vor 50 Jahren von Andreas‘ Vater, Fachmarktpionier Wolfgang Brügel, gegründeten Unternehmens fallen nun an die Stiftung. Vorerst bleibt Brügel gemeinsam mit Co-Geschäftsführer Dennis Roth noch im Stiftungsvorstand, dann zieht er sich in den Stiftungsrat zurück, in dem bereits seine Schwester und Dr. Klaus Leuthe vom Wirtschaftsprüfer Sonntag & Partner sitzen. Die Fristo-Stiftung muss die jährliche Gewinnausschüttung fest definierten gemeinnützigen Zwecken zuführen: heilpädagogisch-therapeutischen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, Entwicklungshilfe für die Dritte Welt, den Erhalt des Gedenkens an die NS-Zeit, und „Organisationen, welche sich dem Schutz und der Förderung von Mehrwegsystemen widmen“.
Für Fristo und seine Mitarbeiter könnte Brügels eigenwillige Nachfolgeregelung mehr als nur ein Steuersparmodell und die Absicherung vor einem Verkauf sein: Unter Wirtschaftsforschern ist viel die Rede von der wachsenden Bedeutung des von Werten und Zielen für Unternehmen, Der englische Modebegriff lautet „Purpose“. Fristo hat ihn. Und kann damit auch bei Verbrauchern und Lieferanten punkten.
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