Die neue Waffe der Konzerne heißt Patent. Wer darüber verfügt, kassiert Lizenzen und hat die Daumen auf dem Wettbewerb. Unlängst stand AB Inbev im Feuer – und wurde im Geheimen ausgebremst. Erst einmal.
Die Sache war aus drei Gründen so geheim: einmal, weil aus nachvollziehbaren Gründen, die eine Krähe der anderen kein Auge aushackt (jedenfalls nicht, wenn alle zusehen). Dann, weil Brauer auf eine Solidargemeinschaft angewiesen sind, die sie gebetsmühlenartig beschwören, auch wenn sie ständig erodiert. Und drittens, weil es eher Zufall war, dass die Sache überhaupt ans Licht kam.
Schon Ende 2012 hatte AB Inbev mit Sitz in Brüssel ein Europäisches Patent für ein „alkoholarmes oder alkoholfreies fermetiertes Getränk auf Malzbasis und Herstellungsverfahren dazu“ angemeldet (EP2804942). Solche Patentanmeldungen gibt es mittlerweile Tausende. Allein AB Inbev hat sich unzählige Patente gesichert, darunter illustre Methoden und Vorrichtungen wie die „Ausgabevorrichtung mit einer Scharniertür“ und einen „Protein Powder“. Oder eben: wie man alkolholfreies Bier herstellt.
Das Heikle daran ist: Solange es genügend Publikationen über ein bereits existentes Verfahren gibt (also z.B. über einen Brauprozess), gilt es als nicht mehr patentierbar. Wird aber das Verfahren oder sein Resultat modifiziert (also z.B. die inhaltliche und sensorische Eigenschaft des erzeugten Bieres), wird es u.U. als Erfindung betrachtet. Dann sieht die Rechtslage anders aus. Nicht nur bei Brauervereinigungen, auch bei anderen Prozessteilnehmern der Getränkeindustrie geht die Angst um, dass sich internationale Player über diese Hintertüre längst gängige Verfahren sichern könnten – um im Fall der Fälle dann entweder Lizenzgebühren erheben oder die Verwendung der Verfahren im Wettbewerb blockieren könnte.
Im Dickicht der Europäischen Patentzentrale (Sitz: München) sind solche Patentanmeldungen oft schwer zu recherchieren – zu verklausuliert die Formulierungen, zu verschleiert der Absender. Im Falle AB Inbev/alkoholfreies Bier dauerte es Jahre, bis der Wettbewerb aufmerksam wurde. 2018 erhob Heineken Einspruch, 2019 dann auch noch Carlsberg. Und die in Brauerkreisen bekannte Kanzlei Kuhnen & Wacker in Freising. INSIDER vermuten (unbestätigt) dahinter mehrere bayerische Weißbierbrauer, die selbst auch alkoholfreie Biere herstellen: Paulaner, Erdinger, möglicherweise Maisel und Schneider. Einspruchsberechtigt in solchen Fällen sind immer nur Wettbewerber, nicht Verbände – alldieweil die Causa in den Fluren des Bayerischen Brauerbundes heftig diskutiert worden sein soll. Allerdings ist AB Inbev als Direktmitglied einer der großen Beitragszahler des Deutschen Brauer-Bundes (DBB) – eine komplizierte Gefühlslage.
Die bis dato letzte mündliche Verhandlung am 29. April 2021 endete mit einem Widerruf des Patents. Es wurde 2018 erteilt und jetzt widerrufen „wegen Nichteinhaltung der Vorschriften des anwendbaren Patentrechts (u.a. mangels erfinderischer Tätigkeit).“
Am entspanntesten sah man die Geschichte von Anfang an wohl beim Einsprecher Heineken. Dort löst man Geschmacksprobleme bei dem auch in Deutschland sehr erfolgreichen Heineken 0,0 längst mit künstlichen Aromen. Auch das eine patente Lösung.
Artikel aus INSIDE 879