Die Macher von Siegfried-Gin und Wonderleaf (alkholfreier Gin), Gerald Koenen und Raphael Vollmar, feiern den Einstieg von Diageo via Distill Ventures. Der Weltmarktführer bekommt eine Minderheit und das Duo hofft auf „Wissen, das wir vorher nicht hatten“.
„Es war nie unser Ziel zu verkaufen“, sagen die Gründer der Bonner Rheinland Distillers, also die Siegfried- und Wonderleaf-Macher Gerald Koenen und Raphael Vollmar. Bei Rheinland Distillers war es auch kein wirtschaftlicher Druck, der geschmeidig machte. Rheinland Distillers, sagt ein Branchenkollege ohne Neid, gehören zu denen, die sicher keine Not haben. Ihre erst sechs Jahre alte Firma nicht durch Banken finanziert und wiesen zuletzt rund eine Viertelmillion Euro Gewinn aus. Über 300.000 Flaschen sollen sie 2019 verkauft haben.
Es ist wohl der Ehrgeiz der Bonner, der sie, so ein INSIDER, zum „Tanz mit dem Teufel“ einlädt. Das Duo will hinaus in die Welt, in Deutschland ist der Markt eng und hart umkämpft. International etwas zu reißen, ist, das wissen alle, die das auch probieren, mühsam. Craft Spirituosen sind zwar gefragt, aber ein kleines Start-up hat es schwer, Fuß zu fassen. Ein Wettbewerber beschreibt das so: Interesse an deutschen Spirituosen ist im Ausland da, aber die meisten sagen, schick mal eine Palette – ohne dafür zahlen zu wollen. Wenn es blöd läuft, bleibt man auf den Kosten inklusive Fracht sitzen. Für eine Firma, die von einer Marke lebt, katastrophal.
Marktkenntnisse in jedem Land der Welt hat Diageo reichlich. Davon will Rheinland Distillers profitieren und muss nun beweisen, dass nur der Datenmangel bislang Größeres verhindert hat. Distill kauft keine großen Marken, sondern hilft ein bis zwei munter wachsenden Sprösslingen groß zu werden.
Vollmar und Koenen müssen nun liefern und wollen sich weiter beweisen, so unabhängig wie möglich. Auf das Vertriebsnetz von Diageo, sagt Vollmar, können sie nicht zurückgreifen. Was logisch ist, denn mit kleinen Mengen kann die Mega-Vertriebstruppe schlecht umgehen. Über die genauen Konditionen des Mini-Gesellschafter Distill wird sorgsam geschwiegen. Es scheint ein besonders ausgefeilter Einstieg des Risikokapitalgebers zu sein.
Für Diageo bieten die Bonner den Vorteil, noch einen Zeh im Craft-Geschäft zu haben, das der Großkonzern nicht glaubwürdig spielen kann und das in einem Markt, der sich derzeit bereinigt. Viele Gin-Anbieter, die sich auf die Gastronomie fokussiert und 2019 hoch investiert haben, wird es Ende des Jahres nicht mehr geben. Ein paar wenige unabhängige, authentische Craft-Marken werden bleiben. Auch die, die Gin als Hobby betreiben und andernorts Geld verdienen. Ein Neueinstieg wird gerade in Pandemie-Zeiten fast unmöglich.
Schon der Einstieg bei Rheinland Distillers, und sei die Minderheit auch noch so klein, wird in der Community argwöhnisch begutachtet. Als der Hamburger Edeka-Einzelhändler Niemerszein zu Beginn der Pandemie via Werbung animierte, die Hamburger Marke Gin Sul zu retten, kam die Antwort in den sozialen Medien prompt: sollen wir Mast-Jägermeister stützen? Dabei hat Gin Sul-Macher Stephan Garbe sich offenbar extrem viel Freiheit ausgehandelt.
In Bonn wird erstmal Normalität verbreitet. Die Macher von Siegfried und Wonderleaf bleiben alleinige Geschäftsführer, das ist mittlerweile Usus bei Distill. Schnelles Eingemeinden macht schnell alles kaputt. Ein Wort mitreden dürfte Diageo gleichwohl. Eine Art Beirat, munkeln INSIDER, wird es wohl geben.
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