Die Gesellschafter der Stuttgarter Brauerei glauben, besser ohne ihren Sprecher der Geschäftsführung aus der Corona-Krise zu kommen. Jetzt wird gespart und es werden Jobs gestrichen. Und bei der NGG ein Härtefallantrag gestellt.
Die Nachricht kam für Kunden und die meisten Mitarbeiter der Familienbrauerei Dinkelacker überraschend: Bernhard Schwarz dankt als Sprecher der Geschäftsführung ab (INSIDE-Hot Shot vom 19.8.). Unterbrochen von einem Ausflug zur Mineralbrunnen AG war Schwarz seit 1984 für Dinkelacker aktiv. 2009 holte ihn der langjährige Beirat Ulrich Schill, als Gf zur Brauerei zurück. Nun wird der 60-Jährige deutlich früher als geplant zum 30. September 2020 das Unternehmen verlassen. Und Stuttgart fragt sich warum.
INSIDER indessen zeigen sich nicht ganz so verwundert. Es hatte rumort unter den Gesellschaftern der Brauerei. Carl-Peter und Beiratschef Christian Dinkelacker halten zusammen 40%, Wolfgang Dinkelacker früher 60%, vor einigen Jahren aber trat er 28,8% an Franz Kollmann, den Neffen seiner Frau, ab, der sukzessive die Steuerung seiner Beteiligungen übernimmt.
Der 44-jährige Kollmann hat sich 2016, nach 12 Jahren Nestlé und Müller Milch, selbstständig gemacht. Und zwar mit der „Beratung von produzierenden Unternehmen in der Lebensmittel- und Getränkebranche zur Leistungsverbesserung und Kostenoptimierung.“ Ansatzpunkte in der Brauerei lassen sich dafür leicht finden.
Ohne die 450.000 hl große 67%-Tochter Mauritius und 200.000 hl Billigbier bringt es Dinkelacker-Schwabenbräu auf knapp 550.000 hl. Allerdings verteilt auf sieben Marken und über 30 Sorten. Die Ertragslage ist mau. Sehr mau. Schon 2018 mussten die Gesellschafter auf ein Darlehen von einer Mio Euro verzichten, damit die Bilanz noch einen kleinen Jahresüberschuss von 200.000 Euro ausweisen konnte. 2019 soll kaum besser gelaufen sein.
Der im Ländle hochgeschätzte Schwarz stand plötzlich unter Druck. Nicht der Berater Kollmann selbst, aber externe Consulter durchleuchteten zum Jahreswechsel die Brauerei. Besserung sollte her. Dann kam Corona.
Fassbier stürzte ab. Events, Volksfeste (u.a. der Cannstatter Wasen) und Gastronomie lagen brach. Zwar entwickeln sich Schwabenbräu und Wulle überproportional im Handel, doch allein mit Mieten und Pachten nimmt die Brauerei alljährlich über fünf Mio Euro ein.
Die Dinkelackers reagierten. Ende April wurde verkündet, dass einer der ihren, Carl-Peters Sohn Colin Dinkelacker, ab 1. September als erster Familienspross seit Urgedenken operativ an Bord geht. Er sollte zunächst hineinschnuppern, als „Leiter Strategie und Unternehmensentwicklung“, angedockt bei Bernhard Schwarz (INSIDE 851). Doch nun ist Colin Dinkelacker, der zuletzt bei Alfred Ritter in der Innovationsabteilung arbeitete, mehr als ein Bekenntnis der Familie in schweren Zeiten, sondern vom ersten Tag an auch der Steuermann. Schwarz traute man es offenbar nicht mehr zu. Man trennt sich nach all den Jahren im Guten (so wird die Brauerei im Präsidium des Baden-Württembergischen Brauerbunds weiterhin von Schwarz vertreten).
Härtefall Dinkelacker: 30 Jobs weg, alle Zulagen gestrichen
Zuvor wurden die Mitarbeiter auf tiefe Einschnitte vorbereitet. Die Geschäftsführung, noch mit Schwarz, hat laut INSIDERN bei der Gewerkschaft NGG einen Härtefall-Antrag gestellt. Begründet wird das mit der Coronakrise. Da die Brauerei weder 2020 noch 2021 mit einem Überschuss rechne, möge Dinkelacker von etwaigen Tariferhöhungen ausgeschlossen bleiben.
An eine schnelle Gesundung der Gastroabsätze nach Corona glaubt auch in Stuttgart kein Mensch. Um aus den roten Zahlen zu kommen, ist eine Kostenreduktion unvermeidlich. Die Brauerei dreht an der Personalschraube. 30 Stellen werden gestrichen. Und auch diejenigen, die ihren Job behalten, kommen nicht ungeschoren davon. Sämtliche Mitarbeiter, einschließlich der außertariflich bezahlten Führungskräfte, müssen auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten.
Aus der Krise heraus soll dann aber nicht der erfahrene Schwarz, sondern der 28-jährige Junior die Brauerei führen. Ab nächster Woche berichten Verwaltungsleiter Tobias Distler, Gastrochef Til Odenwald, Handelschef Christian Malzer, sowie Marketingleiter Stefan Seipel an den neuen Geschäftsführer Colin Dinkelacker. Technik und Logistik bleiben bei Ralph Barnstein.
Artikel aus INSIDE 859