Der Zuckerstreit rund um Limonaden ist doch noch nicht beendet. Anfang März machte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft publik, dass der für Getränke zuständige Fachausschuss der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) Empfehlungen zur Änderung der Leitsätze für Erfrischungsgetränke beschlossen hat. Darin hieß es, dass der bisher geltende Mindestzuckergehalt von Limonaden gestrichen werden soll.
In der Berichterstattung (auch von INSIDE in Ausgabe 872) wurde dies v.a. als Sieg für den Getränkehersteller Lemonaid gewertet. Das Hamburger Start-up um die Gründer Paul Bethke und Felix Langguth stand bei Verbraucherschützern am Pranger, da Lemonaid-Limonaden weniger als den bisher in den Leitsätzen festgeschriebenen Mindestzuckergehalt von 7 Gramm Zucker pro 100 Milliliter enthalten. Demnach dürften die Getränke nicht als Limonaden deklariert werden.
Dies ist nach den neuen Empfehlungen nun möglich. Aber nur mit einem Kompromiss, der bislang vom Ministerium und der DLMBK elegant verschleiert wurde. In dem Entwurf heißt es nämlich wörtlich: "Bei Limonaden, die weniger als 7 g/100 ml Gesamtzucker aufweisen und keine Süßungsmittel enthalten, wird der geringere Zuckergehalt hinreichend kenntlich gemacht”. Das heißt, Limos mit weniger als dem üblichen Zuckergehalt dürfen zwar künftig als Limos deklariert werden, müssen aber auf der Flasche explizit auf den geringeren Zuckergehalt hinweisen. So deutlich teilten das das Bundesministerium und die DLMBK vor wenigen Wochen der Öffentlichkeit noch nicht mit.
Gegen die geplante Änderung der Leitsätze in dieser Form hat Lemonaid deshalb Einspruch erhoben. Das generelle Anhörungsverfahren läuft noch bis zum 5. April. Um zu verdeutlichen, welche Erwartungen Verbraucher an Limonaden haben, hat Lemonaid eine repräsentative Erhebung in Auftrag gegeben und die Ergebnisse (u.a. dass es Konsumenten schwer falle, den Zuckergehalt von Limonaden realistisch einzuschätzen und die geplante Regelung folglich zu einer klaren Irreführung der Verbraucher führen würde) an die DLMBK geschickt.
Für die Hamburger geht es dabei nicht nur um die gesunde Sache, es gilt auch finanziellen Schaden abzuwenden. Lemonaid füllt seine Getränke in MW-Individualflaschen mit Keramikdruck ab. Aktuell sind mehrere 10 Mio Flaschen im Umlauf. Müssten diese alle um einen Hinweis auf den geringeren Zuckergehalt ergänzt werden, käme das den Hersteller teuer. Zwar sind die Leitsätze nur richtungsweisend und nicht verpflichtend, aber der Druck kommt aus dem Handel. Der LEH verlangt von den Herstellern, dass die Getränke sauber im Sinne des Verbraucherschutzes deklariert sind. Ansonsten drohen Auslistungen.
Um öffentlichkeitswirksam auf den drohenden Irrsinn aufmerksam zu machen, setzt Lemonaid erneut auf eine kreative PR-Maßnahme: Ab sofort klebt das Unternehmen auf seine Limoflaschen kleine Warnhinweise, die denen auf Zigarettenschachteln ähneln. Darauf steht: "Achtung, wenig Zucker".