Diese Woche zeigte sich in Frankfurt wieder mal, wie unterschiedlich Gerichtsentscheidungen interpretiert werden. Während die Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralswasser resp. stellvertretend das von ihr zertifizierte Unternehmen Neumarkter Lammsbräu die juristische (und erstinstanzliche) Niederlage gegen das SGS Institut Fresenius via Berufung anfechten will (Lammsbräu-Chef Johannes Ehrnsperger: "Wir sind aus der Vergangenheit schon gewohnt, dass es beim Schutz der Verbraucher und der Bioprinzipien vor Gericht öfter in die nächste Instanz gehen muss"), war Sebastian Rau erwartungsgemäß deutlich zufriedener. Fresenius’ Mann für die Bio-Zertifizierung á la Danone, Gerolsteiner, Hassia u.a., offiziell Teamleader CS Beverages bei Fresenius, verließ den Gerichtssaal beim Landgericht Frankfurt entspannt.
Ihren Ursprung haben die mittlerweile hart geführten Auseinandersetzungen 2016 mit der Entwicklung eines eigenen Qualitätssiegels für Bio-Mineralwasser durch Gerolsteiner, Hassia und Fresenius. Sind es bei der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser mittlerweile elf zertifizierte Betriebe ganz oder mit einzelnen Marken (u.a. Neumarkter Lammsbräu, Ensinger, Voelkel, Mineralquellen Wüllner, Vilsa Brunnen und neuerdings auch das ab Montag bei Aldi Süd verkaufte Bio-Wasser Rieser Urwasser von Gropper), holt Fresenius kräftig auf. Neben Gerolsteiner und Hassia gehören u.a. auch Rhodius- und Rosbacher-Marken ins Portfolio. Als Gehring-Bunte Ende 2018 mit Christinen von der Qualitätsgemeinschaft zu Fresenius überlief (INSIDE 806), war der Flurschaden groß. Neumarkt reagierte dünnhäutig und schoss sich verschärft auf Fresenius resp. Danone als Verwender des Fresenius-Siegels ein. Ausgang: nach Bekanntgabe der Berufung von Seiten Neumarkter offen.
Für den studierten Geologen Sebastian Rau hat der (aus Sicht von Fresenius bislang erfreulich verlaufene) Disput einen veritablen PR-Effekt. Als "Premiummineralwasser in Bio-Qualität" will künftig auch Riha WeserGold sein NaturQuelle im Handel anbieten. Der diffuse Streit um die richtige Interpretation geht weiter. Mittlerweile hat auch Fresenius Berufung eingelegt - allerdings gegen einen Teil des Urteils des LG Hamburg im Juli 2019. Das hatte der Qualitätsgemeinschaft zwar untersagt, das Fresenius-Siegel „Premiummineralwasser in Bio-Qualität“ als „Schein-Bio-Siegel“ zu bezeichnen; allerdings darf die Qualitätsgemeinschaft vorläufig weiterhin behaupten, das von SGS Institut Fresenius vergebene Label weise eine Reihe von Defiziten auf, die in klarem Widerspruch zu den Anforderungen der BGH-Entscheidung „Biomineralwasser“ aus dem Jahr 2012 und zu Verbrauchererwartungen stünden. Was heißt das genau? Die nächste Runde ist eingeläutet.