Kurz nachdem INSIDE vor zwei Wochen über den „Rumor bei Get N“ berichtete, wurde es offiziell. Die insgesamt 1,5 Mrd Euro Umsatz große GFGH-Gruppe tauscht den Anführer aus. Der Neue bringt viel Verständnis für die Branche und die Gesellschafter mit. Aber nicht zu viel.
Es war ein klares Signal, als die Gesellschafter der Get N-Gruppe im November 2019 einen externen und durchaus hochkarätigen Geschäftsführer verpflichteten. Jürgen Rosar kam von Oetkers Backwaren-Tochter Martin Braun und sollte den eigenständigen und eigenwilligen Unternehmern der Get N mehr Korpsgeist abfordern. Zugleich beendete die Get N das monatelange strategische Irrlichtern zuvor. Rosars Vorgänger Jens Armbrust hatte im Auftrag der Gesellschafter u.a. Gespräche über einen möglichen Einstieg der Radeberger Gruppe geführt, die sich später aber in Richtung Team Beverage orientierte, wohin dann auch Armbrust als Vorstand ging (INSIDE 821). Doch das klare Signal Rosar flackerte nur knapp zwei Jahre.
Die anfängliche Euphorie wurde durch die Corona-Krise jäh ausgebremst. Die meisten Get N-Gesellschafter mussten mit bedrohlichen Einbußen klarkommen. Für Zukunftsthemen ihres smarten Vorturners fehlte die Zeit. Umgekehrt blieb der frühere Metro-Manager im Getränkegeschäft weiterhin auf das Know-how der Gesellschafter angewiesen. Der Riss zwischen den pragmatischen Unternehmern und dem Wahl-Düsseldorfer Rosar wurde immer sichtbarer. Vor einigen Wochen informierte er dann seine Mit-Geschäftsführer Andreas Henze, Rainer Geins, Jörg Mellis und Theo Waldhoff, er wolle die Get N verlassen.
Die mit der Nachfolgesuche beauftragten Theo Waldhoff und Jörg Mellis fanden schnell einen idealen Kandidaten. Marcus Vollmers, Ex-AB Inbev-Mann und früher Geschäftsführer bei Get N-Mitglied Ahlers-Achim, kehrt ins operative Geschäft zurück. Der 50-Jährige arbeitet seit vier Jahren als Headhunter für die Personalberatung ifp, Köln. Vollmers verfügt über tiefes Branchenwissen und genießt das Vertrauen aller Gesellschafter. Für Winkels arbeitete er ehedem während des Studiums, für viele andere zuletzt als Personalentwickler. Laut INSIDERN soll es Vollmers gewesen sein, der Rosar zur Get N vermittelt hatte. Nun beerbt er ihn selbst.
Die naheliegende Lösung Vollmers muss sich nicht als die bequemste darstellen. Der distinguierte Hannoveraner verfügt über Rückgrat. Was sich auch bei Ahlers zeigte, wo Vollmers seinen gut dotierten Geschäftsführer-Posten hinschmiss, nachdem ihm Senior Bernd Henze zu oft ins Steuer gegriffen hatte (INSIDE 773). Sohnemann Andreas Henze stimmte dennoch für den neuen Geschäftsführer. Vermutlich weiß auch er: Die Get N braucht einen selbstbewussten Anführer, wenn sie ihre Ziele umsetzen will.
Eine Agenda für die Zeit nach Corona wurde intern bereits erarbeitet. Der turbulente Markt bietet viele Chancen. Kunden und Lieferanten wünschen sich Alternativen zu den Größen des LEH‘s und den GFGH-Beteiligungen der Industrie. Ganz ohne Berührungspunkte wird es aber nicht gehen. Den Vorsprung zu Bestelltools wie Gastivo (Oetker-Transgourmet) oder Kollex (Bitburg, Krombach, Coke, Rotkäppchen, Citti) ist kaum mehr aufzuholen, mit dem Anschluss der Bitburger-Tochter Trinkkontor an die Get N-Sparten Gastro Drinks National GDN sowie Get N Logistik wurde eine pragmatische Lösung für die Westflanke gewählt. Dazu musste Rosar erst die Präambel der Gruppe umschreiben lassen, zuvor war eine Industriebeteiligung kategorisch ausgeschlossen.
Um sich als zusätzliche Säule zu etablieren, muss die Get N mehr leisten. Die insgesamt 1.200 Outlets zählende Get N Fachmarkt soll neben dem Einkauf weitere Vertriebs- und Vermarktungsaufgaben übernehmen, und sich für andere Fachhändler als Unterschlupf empfehlen. Vierte Sparte ist die GetProfiIT-Services & Solutions. Die Abrechnungs- und IT-Dienstleistungen aller Get N-Gesellschafter werden enger mit der Augsburger IT-Tochter GPS verzahnt. Die Anfang 2020 gegründete GPS sieht sich als „offene und herstellerneutrale Plattform“ und damit als Alternative zur Radeberger-infiltrierten Geva/Team Beverage-Welt; u.a. für die Mitglieder der 25%-Gesellschafterin Profi-SGL.
Die Profi-SGL dient der Get N als gutes Beispiel für gelungene Plattform-Bestrebungen. Flankiert von nur wenigen Gesellschaftern konnte Profi-SGL-Chef René Schatz diverse Strecken sichern und dabei wie zuletzt bei Globus auch Erhöhungen durchboxen. Die übrigen Mitglieder, neben den streckenorientierten Get N-Gesellschaftern noch Splendid/Pfeifer, Bier Schneider-Mülheim und Ziegler-Ottensoos, schweigen und genießen.
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