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#871

Brauerei Rapp, Kutzenhausen: Die bessere Flaschenpost

Rapp: Die bessere Flaschenpost

Direkter Konsumenten-Kontakt, hoher Eigenmarken-Anteil, verlässliche Wiederkaufsraten: Was wie der feuchte Traum von Oetkers 800 Mio Euro teurer Flaschenpost klingt (die fast dreistellige Millionenverluste baut), hat die hochprofitable über 1 Mio hl große Brauerei Rapp längst erreicht.

Beheimatet in der kleinen Gemeinde Kutzenhausen im schwäbischen Landkreis Augsburg läuft Rapp wie in einem Paralleluniversum am gesamten Markt vorbei. Und das erfolgreich und nicht erst seit gestern. Rapp blickt auf eine lange Tradition zurück. 1893 übernahm Georg Johann Rapp die Hausbrauerei und belieferte zunächst ein paar Gaststätten. Im Jahr 1926 führte die Brauerei Flaschenbier ein und schaffte den ersten LKW an. Unter Führung der Enkel des Firmengründers, Georg und Klemens Rapp, startete 1967 der Heimdienst. Im selben Jahr wurde auf die hauseigene Rapp-Glasflasche umgestellt, die 2001 der 0,5-Liter-Rapp-Mehrweg-Glasflasche mit Schraubverschluss weichen musste.  

Fachpersonal statt Logistik-Prekariariat

Im Jahr produziert Rapp laut INSIDERN rund eine Mio hl Getränke, davon über 200.000 hl Bier und über 800.000 hl AfG. Ausgeliefert werden Bier, Wasser, Säfte und Co ausschließlich über den eigenen Heimdienst, für den knapp 200 blitzsaubere immer neue blaue LKW und Transporter zur Verfügung stehen. Die Fahrer, die INSIDERN zufolge auf Facharbeiter-Niveau verdienen, umfangreiche Sozialleistungen erhalten und teils in der eigenen Fahrschule ausgebildet werden, sind dabei in Personalunion auch Verkäufer und stehen im engen Kontakt mit den rund 270.000 belieferten Privat-Haushalten. Stress mit der Gewerkschaft, wie es Durstexpress und Flaschenpost in aller Öffentlichkeit aushalten müssen, kennt man in Kutzenhausen nicht.

Nach außen gibt sich das Unternehmen stets sehr verschwiegen. Bescheidenheit wird großgeschrieben. Wer bei Geschäftsführer Georg Rapp jun., 67, Umsatzzahlen anfragt, beißt auf Granit. Verschwiegenheit, aber auch Understatement sind ganz offensichtlich Teil der Firmen-Philosophie. Die Familie Rapp bleibt lieber unter dem Radar – auch für die Branche. Das gelingt vor allem durch die Verwendung eigener Mehrweg-Flaschen, die eigene Herstellung und Abfüllung, eigene Logistik sowie den eigenen Vertrieb. Rapp handelt vollkommen unabhängig in einer Art Parallelwelt. Es gibt keine Geschäftsbeziehungen mit GFGHs, GAMs oder dem LEH. 

Heimdienst mit 100% Eigenmarke 

Der Rapp-Heimdienst (pro Fahrzeug werden immer zwei Mann eingesetzt) beliefert die Kunden regelmäßig alle 14 Tage in festen Touren. Bestellt wird telefonisch, im Netz, per App, direkt beim Fahrverkäufer oder per Bestellkarte. Gibt ein Kunde mal keine Bestellung auf, wird dieser auch gerne proaktiv vom Kundendienst telefonisch erinnert. Ziel ist es, möglichst viele Stammkunden aufzubauen, zu halten und mit dem Getränke-Vollsortiment zu versorgen. Sich dem Kreislauf später zu entziehen, fällt manchem Kunden anschließend nicht mehr so leicht. Das Liefergebiet umfasst nahezu den kompletten süddeutschen Raum - von der Großstadt bis zum Dorf: Im Westen bis zur französischen Grenze, im Norden bis Würzburg, im Osten bis hinter Regensburg und im Süden bis an die deutsch-österreichische Grenze zwischen Traunstein und Villingen-Schwenningen im Schwarzwald. Über die Gebrüder Rapp oHG im südhessischen Lorsch liefert Rapp zudem auch im Rhein-Main-Gebiet und Rhein-Neckar-Raum. 

Die Bestellpreise (je 20x0,5l Kiste) für Bier liegen zwischen 11 und 14 Euro (Spezialitäten teils teurer), für Mineralwasser fallen 6,50 Euro an, Saftschorlen gibt‘s für 8 bzw. 9 Euro, Eistee und Säfte kosten zwischen 10 und 15 Euro und für Limonaden verlangt Rapp zwischen 7 und 10,50 Euro. Die Lieferung erfolgt dabei frei Haus. Bezahlt wird entweder direkt cash beim Fahrer, per Überweisung oder nach Absprache auch per SEPA-Basislastschrift. Für Flaschen und Kästen wird kein Pfand erhoben, die Gebinde können aber auch nur bei Rapp selbst im Zuge der Belieferung wieder abgegeben werden. 

Die autarke Brauerei

Insgesamt beschäftigt Rapp über 500 Mitarbeiter, davon 400 Fahrverkäufer und 100 in der Produktion (inkl. Verwaltung). Als Grundlage für die Herstellung der 22 Biersorten (inkl. Biermix, Alkoholfrei und Saisonspezialitäten) und über 30 Saft- und Limonadensorten dient die Rappen-Quelle im Naturpark Augsburg Westliche Wälder, das aus zwei eigenen Mineralbrunnen auf dem weit über 100.000 qm großen Brauereigelände aus 255 Meter Tiefe gefördert wird. Um autark in der Energieversorgung zu sein, setzt Rapp auf Photovoltaik. Mit einer eigenen vollbiologischen Kläranlage, an welche neben Kutzenhausen noch zwei weitere Nachbargemeinden angeschlossen sind, achtet die Brauerei zudem auf ökologische Kreisläufe.

Funktionierende Kreisläufe, Understatement und Unabhängigkeit in nahezu allen Bereichen haben Rapp über Jahrzehnte zu einem heimlichen Gewinner werden lassen, das etwas antiquiert wirkende Geschäftsmodell ist den hippen E-Commerce-Lieferdiensten zumindest in den ländlichen Gegenden überlegen. 

Bei Rapp hat man sich aber ohnehin noch nie sonderlich um den Wettbewerb geschert. Wichtig ist nur, in der eigenen Nische bestmöglich zu agieren.     

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