Hoch die internationale Solidarität: Heineken und Carlsberg marschieren voran, dazu setzt auch die Radeberger Gruppe ein leuchtendes Signal ab. Bekommen die deutschen Brauereien nun tatsächlich mehr Geld? Rutschen die Aktionspreise wieder über zehn Euro?
Holzpaletten, Diesel, Gas, Transport, Löhne, Etiketten, Dosen, Bierdeckel und vor allem Malz (siehe Seite 6), auf allen Positionen steigen die Kosten. Brauer müssen nicht lange überlegen, wenn sie Begründungen für eine Preiserhöhung suchen. Doch die Angst ist groß, am Ende alleine dazustehen und mit Marktanteilsverlusten abgestraft zu werden. Besonders bei den Pilsherstellern. Absprachen verbietet das Kartellrecht. Und so belauern sich die Kombattanten und hoffen, dass andere den Anfang machen.
Schwer wird es ohnehin. Das Einzelhandels-Oligopol in Neckarsulm, Hamburg oder Köln hat Widerstand gegen jede Preiserhöhung angekündigt. Mit Eckes-Granini (nach Ankündigung einer 6%-Preiserhöhung ausgelistet) hat die Edeka ein Getränke-Exempel statuiert. Und auch bei Bier scheint es ein abschreckendes Beispiel zu geben. Die Badische Staatsbrauerei Rothaus ist nach einer Preisanpassung bei Rewe in den Randsortimenten rausgeflogen.
Ganz so kategorisch verschließt sich der Handel freilich nicht mehr. Der Kostendruck ist offenkundig, schlägt sichtbar auch bei den Eigenmarken durch. Im Falle von Rothaus, so berichten es INSIDER, soll es an einer gleichzeitigen Frachtkostenerhöhung liegen, die der eigenwillige Vorstand Christian Rasch der Rewe in Rechnung stellt, mit dem arroganten Hinweis, dass der Streckenverleger ja selbst im Schwarzwald abholen könne.
Unterdessen haben auch andere Brauereien bereits Erhöhungen angekündigt. Carlsberg Deutschland erhöht Fass und Flasche für Holsten, Lübzer und Astra (Duckstein und die unter Bitburger-Ägide durch zwei Erhöhungen arg gerupfte Neuerwerbung Wernesgrüner bleiben außen vor). Um 65 Cent je Kiste verteuern sich die Carlsberg-Produkte per 17. Januar 2022 ab Rampe.
Deutlich kräftiger holt Heineken Deutschland aus. In einem schmucklosen Schreiben ohne jedwede Begründung informiert Vertriebschef Alexander van Gils über eine Anpassung der Listenpreise zum 1. Januar 2022. Während Gösser Naturradler und Desperados ausgeklammert sind, klettert Heineken in der Kistenware beim Flaschenbier um stolze 10 Euro pro hl. Bei den Sixpacks – hier ist Heineken Marktführer in Deutschland – wird gar um 13 Euro/hl erhöht, womit der Bruttopreis von 3,27 Euro auf 3,52 Euro/Sixpack steigt. Im Handel kosten 6x0,33l Heineken aktuell zwischen 4,49 und 4,99 Euro. Da steht nun eine fünf davor. Gleichzeitig gehen auch die Fasspreise hoch. Um stolze 15 Euro je hl verteuern sich die 20-, 30- und 50-Liter KEG-Gebinde.
Auch von AB Inbev bekamen Fachgroßhändler in dieser Woche Post. Der Konzern, der im letzten Jahr bei Beck‘s und Hasseröder an der Schraube gedreht hatte (wodurch die Aktionspreise in wundersamer Weise völlig unberührt blieben), wagt sich vorerst nur an Fassbier. Beck‘s und Haake-Beck kosten 5 Euro/hl, das übrige Sortiment um satte 10 Euro mehr je hl Fassbier. Die Jahresendrallye ist gesichert: Stichtag ist der 1.1. 22. Unterdessen heißt es in Bayern, dass bei Tegernseer und Augustiner und auch Paulaner an Formulierungen gearbeitet wird.
Sieben Monate Vorlauf
Konkreteres gibt es vom deutschen Marktführer. Radeberger schreitet voran, bläst zur Erhöhung. Erste Kunden wurden telefonisch informiert, bald gehen Schreiben raus. Zwischen 6 und 7 Euro/hl sollen die Kistenpreise der wichtigsten Marken klettern. Auch für Fassbier wird mit einer Preisanpassung gerechnet. Doch die Oetker-Tochter erhöht erst im Mai, nach dem Ostergeschäft. Mit dieser bisher einzigartig langen Vorlaufzeit von sieben Monaten sendet der Marktführer grünes Licht für den übrigen Markt. Radeberger-CEO Guido Mockel hatte in einem Statement für IF-INSIDE FUTURE (lag der letzten Ausgabe bei) kürzlich noch festgestellt: „Jetzt ist es unumgänglich, an Themen wie Wertschöpfung,Überkapazitäten oder einer aus dem Takt geratenen Lieferkette zu arbeiten, statt mit flatterndem Frack und aberwitzigen Aktionspreisen Menge zu forcieren, um irgendwie über die Runden zu kommen“.
Die Ankündigung mit siebenmonatigem Vorlauf dürfte es ausschließen, dass Mockel so hochnotpeinlich zurückrudern muss, wie ehedem seine Wettbewerber. Im knallharten Wettbewerb der Pilsbrauer spielt Gesichtsverlust keine Rolle mehr. 2012 zog der damalige Bitburger-Chef Werner Wolf eine Preiserhöhung zurück, nachdem die Konkurrenz nicht mitzog. Und auch Bernhard Schadeberg, nahm seine Krombacher-Erhöhung 2017 zurück, nachdem Veltins & Co erst mal abwarten wollten.
Andere Gründe hatte Alessandra Cama, die eine Erhöhung für Warsteiner zurückzog, um bewusst einen Euro unter den Kistenpreisen der Wettbewerber zu segeln. Erst im Herbst 2018 zog Warsteiner nach und verlor seither über 400.000 hl. Intern wird die Erhöhung inzwischen als Fehler gewertet.
Artikel aus INSIDE 887